21. Juni 2016 - Tag des Schlafes

Die Deutschen fahren im Schlaf:

 

 

 

Jeder 4. Unfalltote auf Autobahnen aufgrund von Sekundenschlaf

 

Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) warnt vor Tagesschläfrigkeit und Sekundenschlaf als ein hohes Risiko für Verkehrsunfälle.


In der offiziellen Unfallstatistik werden sie nicht speziell aufgeführt, doch die Dunkelziffer ist enorm: Nach einer Studie des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum ist fast jeder fünfte Unfall (18,5 %) müdigkeitsbedingt. Nachts sollen sogar mehr als vier von zehn Unfällen (42 %) ihre Ursache darin haben, dass mindestens ein Unfallteilnehmer ermüdet war. Zahlen, die die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) alarmieren. „Damit stellt die Schläfrigkeit eine häufigere tödliche Unfallursache im Straßenverkehr dar als das Fahren unter Alkohol“, sagt Dr. Hans-Günter Weeß, Vorstandsmitglied der DGSM. Denn nach internationalen Studien geht immerhin jeder 6. Unfalltote auf die Beteiligung eines schläfrigen Fahrers zurück, bei Alkohol als Ursache ist es „nur“ jeder 13. Verkehrstote im Jahr 2014 gewesen. Deshalb will die DGSM nun bundesweit Autofahrer vor den Risiken einer Übermüdung mit einer Flyerkampagne aufklären.

„Müdigkeit am Steuer wird oft unterschätzt. Viele Menschen denken, dass ein bisschen laute Musik oder frischer Fahrtwind durchs offene Fenster ausreichen, um wach zu bleiben. Dem ist aber leider nicht so“, erklärt  Dr. H.-G. Weeß. Doch nicht nur Schlafmangel und Schlafstörungen erhöhen das Risiko für Sekundenschlaf am Steuer: Lange Autofahrten und Nachtfahrten, vor allem in monotonen Fahrsituationen wie auf der Autobahn, erhöhen ebenfalls das Risiko für das Einschlafen am Steuer. Dabei sind Berufskraftfahrer und Schichtarbeiter einem besonders hohen Risiko ausgesetzt. Auch körperliche Krankheiten, welche mit Schläfrigkeit und Müdigkeit einhergehen können, sind zu beachten. Und wenn es die Krankheit selbst nicht ist, die müde macht, dann eventuell die Medikamente, die der Patient einnehmen muss.

15 bis 20 Prozent der Medikamente auf deutschem Markt können müde machen!

„Rund 15 bis 20 Prozent der auf dem deutschen Markt zugelassenen Medikamente können nach Angabe der Hersteller die Fahrtauglichkeit beeinträchtigen. Dies sind insbesondere Schlafmittel, Psychopharmaka und Schmerzmittel, aber auch z.B. Anti-Allergie-Präparate“, sagt Prof. Dr. M. Orth, Vorstandsmitglied der DGSM. Als kritisch gelte dabei vor allem der Zeitpunkt der ersten Medikamenteneinnahme sowie ggf. auch Dosis-Anpassungen während der Therapie. „Da mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten steigt, wird dies auch künftig zunehmend Einfluss auf die Unfallstatistik haben“, sagt Dr. Hans-Günter Weeß.
 
Diese Entwicklung sieht natürlich auch die Versicherungsbranche mit einiger Sorge. Sie ging nämlich bereits vor mehr als 20 Jahren auf der Basis einer seither vielzitierten Studie des HUK-Verbandes davon aus, dass jeder vierte Autounfall auf Autobahnen durch Übermüdung entsteht. Eine Studie der DGSM, welche gemeinsam mit der Europäischen Gesellschaft für Schlafforschung durchgeführt wurde, beschäftigte sich mit Häufigkeit und Ursachen von schläfrigkeitsbedingten Unfällen. Sie wurde in 19 europäischen Ländern mit über 12700 Befragungen von Verkehrsteilnehmern durchgeführt: 42,5 Prozent der Befragten gaben an, in der vorausgehenden Nacht vor einem Unfall infolge Einschlafens am Steuer schlecht geschlafen zu haben. Weitere 34 Prozent sahen sich als einen gewohnheitsmäßigen schlechten Schläfer. Weitere wissenschaftliche Studien belegen diese Daten: „Schlafstörungen wie die Schlaf-Apnoe und die Ein- und Durchschlafstörungen können das Unfallrisiko im Straßenverkehr verdoppeln“, so Prof. Dr. M. Orth. Für einzelne Schlafstörungen, wie die Narkolepsie, ergibt sich ein bis zu 7fach erhöhtes Risiko für Schläfrigkeitsunfälle. 16,2 Prozent der Befragten der europäischen Studie gaben an, vorausgehend lange Strecken gefahren zu sein. 15 Prozent der Autofahrer mit Sekundenschlaf am Steuer waren Schichtarbeiter und fast 13 Prozent gaben an, zum Zeitpunkt des Unfalles üblicherweise gar nicht wach zu sein, sondern im Bett zu liegen und zu träumen.

„Schlaf ist eine elementare biologische Funktion und hat eine erholsame Wirkung. Schlaf macht wach“, sagt Dr. H.-G. Weeß. Deshalb unterstützt die DGSM auch folgende Maßnahmen gegen Schläfrigkeit im Straßenverkehr.

Öffentlichkeit: Sensibilisierung und Aufklärung von Fahrzeugführern über die Risiken von Schläfrigkeit und Übermüdung am Steuer mittels Aufklärungskampagnen. Fachliche Beratung bei der Erstellung von Informationsmaterialien.

Führerscheinbewerber und Führerscheinbesitzer: Schulungsmaßnahmen im Umgang mit Schläfrigkeit am Steuer bereits in der Fahrschule.

Berufskraftfahrer im Personen- und Transportgewerbe: Regelhafte Schulungsmaßnahmen zu gesundem Schlaf, Auswirkungen von Schlafmangel und Schlafstörungen zum Umgang mit Schläfrigkeit am Steuer für Berufskraftfahrer im Personen und Transportgewerbe.

Industrie: Schulungsmaßnahmen für Schichtplangestalter und Schichtarbeiter.

Medizin: Fortbildungen von Haus- und Fachärzten in Schlafmedizin und den speziellen Risiken von Schlafstörungen für den Straßenverkehr.

Forschung: Förderung technischer Hilfsmittel zur Früherkennung schläfriger Autofahrer in der Fahrsituation (Fahrerassistenzsysteme); Unterstützung wissenschaftlicher Projekte zu den Ursachen, Behandlungs- und Kompensationsmöglichkeiten von Schläfrigkeit.